Emotionale Entgleisung ist ein Phänomen, das in verschiedensten Lebenssituationen auftreten kann. Sie bezeichnet den Zustand, in dem eine Person die Kontrolle über ihre Emotionen verliert und in unangemessenes Verhalten oder starke Gefühlsausbrüche verfällt. Dieses Phänomen ist von besonderer Bedeutung, da es nicht nur individuelle, sondern auch soziale und berufliche Auswirkungen haben kann. 

 

Ein Beispiel aus meiner Praxis:

Das junge Paar Mark und Simone geraten in einen Streit. Es geht um Belangloses. Mark fühlt sich genervt, weil er sich von Simone kritisiert fühlt. Der konkrete Anlass war eine Pfanne mit Öl. Mark hat nach Simones Ansicht viel zu viel Öl in die Pfanne gegeben. Dies teilte sie ihm mehrmals mit, bis Mark wutentbrannt die Küche verließ. Simone konnte die heftige Reaktion von Mark nicht nachvollziehen und stellte ihn zur Rede. Es kam zu einem heftigen Streit, und ein Wort gab das andere. Schließlich endete der Streit mit heftigen Beschimpfungen und Beleidigungen, bei denen Mark das Ende der Beziehung androhte und dabei war, seine Sachen zu packen. Simone war schockiert davon, wie Mark ihr entgegnete, vor allem aber von den angedrohten Konsequenzen. Völlig erschöpft, legten beide nach Stunden den Streit nieder und schliefen erschöpft ein. Am nächsten Morgen konnte Mark seine heftige Reaktion vom Tag davor überhaupt nicht mehr nachvollziehen, er war geradezu schockiert von seinem Verhalten.

Was war passiert? Wie konnte es zu dieser Situation kommen?

 

Mark war dem „Amygdala Hijack“ zum Opfer gefallen

Diesen Begriff verwendet Daniel Goleman in seinem Buch „Emotionale Intelligenz“.
Die Amygdala oder auch Mandelkern ist Teil des Lymbischen Systems und für die Emotionen zuständig. Gut vernetzt mit dem Hirnstamm beeinflusst der oberflächliche Teil der Amygdala vor allem autonome Funktionen des Körpers, wie Atmung und Kreislauf und passt sie der jeweiligen Situation an. Denken Sie nur an Situationen, wenn Sie starke Angst verspüren und Ihnen das Herz sprichwörtlich bis zum Hals schlägt. Auch ist sie für das emotionale Gedächtnis zuständig. Also immer dann, wenn in der Vergangenheit starke Emotionen im Spiel waren. Im Normalzustand, gelangen Sinnesinformationen in den Cortex (Großhirnrinde) und den Hippocampus. Hier werden die Informationen analysiert, bevor sie die Amygdala erreichen. Durch diesen Vorgang sind wir in der Lage zu entscheiden, wie gefährlich eine Situation ist und wie wir adäquat darauf reagieren können. Werden wir allerdings von unseren Emotionen überwältigt, schaltet unser Gehirn auf das Notfallprogramm. Es trennt die Verbindung der Amygdala zum Cortex und dem Hippocampus.
Unser Gehirn schrumpft sprichwörtlich auf “Mandelkerngröße”.

Es entsteht der Amygdala Hijack

Dies hat zur Folge, dass wir so ausgestattet, lediglich mit den der Amygdala zur Verfügung stehenden Reaktionsmuster, Flucht, Angriff und Resignation reagieren können. Dieses Programm hatte und hat vielleicht auch heute noch durchaus seinen Sinn, nämlich immer dann, wenn wir uns in ernsthafter Gefahr befinden. Um in diesen Situationen schnell reagieren zu können, scheint uns ein Programm mit wenigen, aber effektiven Reaktionsmuster am hilfreichsten zu sein. Betrachten wir das Beispiel von Mark, können wir in seinem Verhalten alle drei Reaktionen wiederfinden.

Wo aber war die reale Gefahr?

Vermutlich hatte irgendeine Situation im Streit mit Simone bei Mark ein altes emotionales Programm aktiviert. Dies hat sich durch die länger anhaltende Auseinandersetzung immer mehr verstärkt, bis am Ende die Amygdala die Kontrolle übernommen hat.

 

Fazit

Die Emotionale Entgleisung ist ein komplexes Phänomen, das vielfältige Ursachen und Auswirkungen hat. Es ist wichtig, sich dieser Thematik bewusst zu sein und Strategien zu entwickeln, um mit emotionalen Herausforderungen konstruktiv umzugehen. Durch Selbstreflexion, Achtsamkeit, Kommunikation und Stressmanagement können wir dazu beitragen, emotionale Entgleisung zu verhindern und ein gesundes, emotionales Gleichgewicht zu finden.