In meiner psychologischen Praxis begegnen mir immer wieder Menschen, die sich nach mehr Tiefe und Verbindung in ihren Beziehungen sehnen – in der Partnerschaft, zu Eltern, Freunden oder auch im beruflichen Umfeld. Doch häufig stehen unbewusste Ängste im Weg, die ihren Ursprung in der Kindheit haben. Besonders dann, wenn es darum geht, ehrlich über Gefühle, Bedürfnisse oder Verletzungen zu sprechen.

 

Als Kind geschwiegen – aus Angst, nicht geliebt zu werden

Viele von uns haben schon früh gelernt, bestimmte Dinge besser für sich zu behalten. Vielleicht, weil es zu Hause keinen Platz für offene Gespräche gab. Vielleicht, weil Wut, Traurigkeit oder Unsicherheit nicht gesehen oder sogar abgelehnt wurden. Die Folge: Wir entwickelten Strategien, um dazuzugehören, nicht anzuecken – oder um Konflikte zu vermeiden.

Diese Strategien waren damals hilfreich. Sie haben uns geschützt. Denn für ein Kind kann emotionale Ablehnung existenziell bedrohlich wirken – schließlich hängt das eigene Überleben von der Bindung zu den Bezugspersonen ab. Doch im Erwachsenenalter ist das anders: Heute droht uns in den allermeisten Situationen keine reale Gefahr mehr, wenn wir ehrlich sind. Die Angst ist spürbar – aber die Bedrohung ist nicht mehr existenziell.

 

Als Erwachsene dürfen wir neu wählen

Heute sind Sie nicht mehr das Kind von damals. Heute dürfen Sie entscheiden, ob Sie weiter schweigen – oder ob Sie beginnen, Ihre Wahrheit auszusprechen. Das bedeutet nicht, alles zu erzählen oder sich schonungslos zu offenbaren. Es bedeutet, ehrlich mit sich selbst zu sein – und in Beziehungen das zu kommunizieren, was Ihnen wirklich wichtig ist:

  • Was berührt mich?
  • Was habe ich früher nicht sagen können?
  • Was brauche ich heute, um mich sicher und verbunden zu fühlen?

Solche Gespräche erfordern Mut – aber sie sind oft der Anfang einer echten Veränderung.

 

Ehrlichkeit schafft Nähe

Ehrliche Kommunikation ist kein Risiko, das vermieden werden muss – sondern eine Brücke zur Verbindung. Wenn Sie aussprechen, was Sie wirklich bewegt, öffnen Sie sich. Sie zeigen sich. Und genau darin liegt die Chance: Missverständnisse klären sich, Nähe kann entstehen, Vertrauen wächst.

Oft erlebe ich in meiner Praxis, dass Menschen überrascht sind, wie entlastend es ist, sich ehrlich mitzuteilen – und wie viel Verständnis ihnen plötzlich entgegengebracht wird.

Typische Sätze, die ich oft höre:

  • „Ich wollte das schon als Kind sagen – aber ich hatte Angst.“
  • „Ich dachte immer, meine Gefühle sind nicht richtig.“
  • „Ich weiß gar nicht, wie ich das ausdrücken soll.“

Diese Momente, in denen etwas zum ersten Mal ausgesprochen wird, sind oft sehr bewegend – und heilsam. Sie sind der Anfang eines neuen Umgangs mit sich selbst und mit anderen.

 

Was hilft, ehrlich zu kommunizieren?

  • Selbstmitgefühl entwickeln: Ehrlichkeit beginnt mit der Erlaubnis, sich selbst ernst zu nehmen – auch in Unsicherheit.
  • Geeignete Gesprächspartner wählen: Nicht jede Beziehung bietet sofort Raum für Tiefe. Wählen Sie bewusst, mit wem Sie beginnen.
  • Sich begleiten lassen: Im geschützten Rahmen einer psychologischen Beratung können erste Schritte zur ehrlichen Kommunikation geübt und reflektiert werden – ohne Druck, ohne Wertung.

Liebe Leserinnen und Leser,

was Sie als Kind nicht sagen konnten, darf heute Raum finden. In Ihrem Tempo, in Ihrer Sprache, in Ihrer eigenen Wahrheit. Wenn Sie sich auf diesen Weg machen möchten, begleite ich Sie gerne dabei – einfühlsam, strukturiert und mit Blick auf das, was Ihnen wirklich wichtig ist.

Rainer Schwenkkraus

Berater und Autor